Sonntag, 28. Juni 2015

Gasthaus Winzerer Weinstuben in Winzer


Josef Kögl, der Wirt des Gasthauses Winzerer Weinstuben, dem wir heute unseren ersten Besuch abstatteten, ist Österreicher - um präzise zu sein kommt er aus der Steiermark. An sich fuhr ich in den beschaulichen Vorort im Nordwesten der Stadt in der festen Absicht mich heute persönlich für Cordoba 1978 zu rächen, indes: es sollte anders kommen ...

Der Abend war sonnig und die Luft so ungewöhnlich lau für diesen bislang recht mauen Sommer, dass wir uns für einen Platz im kleinen Garten gegenüber des Gasthauses entschieden. In Winzer fahren an einem Sonntagabend geschätzt 2,2 Autos pro Stunde durchs Dorf und so plätscherte der Dorfbrunnen zum Vogelgezwitscher und das Ambiente war somit wie gemalt für eine deftige Abendbrotzeit.

Die Karte offenbart ein schlüssiges, geradliniges gastronomisches Konzept mit einer überschaubaren Auswahl klassischer Gerichte der süddeutschen und österreichischen Küche. Klare Linie auch auf der Weinkarte: Überwiegend bestehend aus klug zusammengestellten Österreichern, ein paar Deutschen und sogar - ausschließlich als Flaschenweine - ein Müller-Thurgau und ein Spätburgunder von Regensburger Weinbauern. Die günstigste Flasche Weißwein geht um die 15 EUR an den Gast: da gibt es nichts zu meckern.
von Robert Bock

Bitte beachten:Sämtliche Posts stellen persönliche und höchst subjektive Meinungsbilder des jeweiligen Verfassers dar und sind auf keinen Fall verallgemeinerbar. Das Recht zu sachlicher Kritik ergibt sich aus dem im Artikel 5 des Grundgesetzes verbrieften Recht auf freie Meinungsäußerung - auch wenn negative Kritik manchmal sehr unliebsam sein kann. Gastronomen, Küchenpersonal und Servicekräfte sind wie die Gäste Menschen und haben gute und schlechte Tage im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Jede Kritik ist also eine lediglich subjektive Momentaufnahme: Was heute schlecht war, kann morgen gut sei und umgekehrt. Die Verfasser der Beiträge dieses Blogs bemühen sich um Konstruktivität, um Gastronomen zu helfen, kontinuierliche Verbesserungsprozesse zu initiieren und für potenzielle Gäste die Markttransparenz zu verbessern.


Die charmante Wirtin höchstpersönlich nahm unsere Bestellung auf: Wir entschieden uns für zwei Gerichte von der Brotzeitkarte: Eine "Reichlich garnierte Brettljause mit Schwarzbrot" und "Obazda mit Bauernbrot". Man könnte einwenden: Um Gottes Willen - wie will er die Qualität eines Wirtshauses anhand zweier kalter Brotzeiten beurteilen? Ich behaupte: gerade anhand solcher, nach Dilletantenmeinung, "einfacher" Gerichte, zeigt sich das Qualitätsbewußtsein eines Wirtes und seiner Küche zuallererst. Gerade wo der Koch nur schwer brillieren kann, weil es handwerklich für ihn in der Küche nicht viel zu tun gibt, kommt es auf Qualität und überzeugende Zusammenstellung an.

Der Obazde kam in einer mehr als reichlichen Portion und ohne den tausendmal gesehenen "Eiskugelportionierungs-Schischi" der 2000er Jahre daher; einer großzügigen Portion Zwiebelringen - einer wunderbar milden Zwiebel -, Salzstangen und Salatgarnitur auf einem runden Holzbrettl, so wie sich das gehört. Geschmack und Konsistenz ließ keinen Finger breit Raum für Kritik und einen ersten Stich auf meinem Rachefeldzug gegen Hans Krankl, Bruno Pezzey, Friedl Konzilia, Schneckerl Prohaska und die WM in Argentinien, die mir als Buben die österreichische Nationalmannnschaft 1978 versaut hat.

Ich kann es nicht leiden, wenn ein Obazda nahezu camembertfrei interpretiert wird und - nach meiner höchst subjektiven Einschätzung als Gast - ein x-beliebiger Frischkäse mit ein wenig Paprikapulver aufgeschlagen wird, wie ich dies zuletzt in einem großen Biergarten in Prüfening erlebt habe, wo ich, für 20 Cent weniger Geld, eine nicht halb so überzeugende Vorstellung der Küche bei diesem Gericht erleben mußte.

An Josef Kögls Obdazdn stimmt nach meinem Geschmack so ziemlich alles: Es prangen richtig schöne Brocken Camembert darin, die Konsistenz sämig, nicht zu milde, nicht zu rass der Geschmack. Dick aufs einwandfreie, fluffige Schwarzbrot, Zwiebelringe drauf, reinbeissen und im letzten Sonnenlicht des lauen Abends geniessen ... Ein Schluck eines erdigen, frisch moussierenden Grünen Veltliners aus Österreich dazu - mit dem typischen "Pfefferl" hinten auf der Zunge: So muss sich ein Abendbrot Ende Juni anfühlen.

Meine Begleiterin entschied sich - wundert's die Leserinnen und Leser meiner bisherigen Kritiken? - für einen Riesling. Heute: Aus der Pfalz. Frisch, schönes Spiel von Frucht und Säure (O-Ton: "weiße Pfirsiche, ein Hauch Holunder, leicht, prickelnd, frisch - halt ein typischer Riesling"). Sie widmete sich, derweil ich mit geschlossenen Augen meinen Obazdn goutierte, einstweilen der Brettljause. Für 8,90 EUR ist diese so großzügig bestückt, dass auch ausgehungerte Männer davon leicht satt werden. Die Bestückung geschmacklich und handwerklich ausgezeichnet: gekochter Schinken, roher Schinken (Bauerngeräuchertes), kalter Braten mit grob gehobeltem Kren, ein paar Scheiben eines schön temperierten, cremigen, mildwürzigen Käses, ein dickes Stück Butter, Salatgarnitur, gefächerte Essiggurkerl, Zwiebelringe und - mein Higlight auf der Platte neben dem kalten Braten: "Steirisches Verhackerts" - eine Spezialität aus der Steiermark, die ich als ein Griebenschmalz, vermengt mit mildsalzigem geräuchertem Wammerl beschreiben würde. Ich habe so etwas heute zum ersten Mal gegessen und wenn ich wieder mal in den Winzerer Weinstuben eine Brotzeit mache, dann bestelle ich mir ein ganze Portion davon (5,90 EUR) - eine echte Entdeckung! Unbedingt probieren!

Meine Begleiterin und ich sind einer Meinung: So kann eine Brotzeitplatte nicht nur in Österreich, sondern auch in Bayern ausschauen - selbst wenn standardmäßig kein Obazder und kein Pressack, Leberwurst oder Bauernschmaus drauf sind. Was ich persönlich auf einer Brotzeitplatte nicht erwarte (und brauche) sind Pepperoni - statt derer würden der Platte ein paar Radieserl oder Radi gut zu Gesichte stehen. Das Gasthaus ist ja schier umzingelt von Gemüsebaubetrieben - beim Nachbarn Küffner kaufe ich selbst oft ein - da sollte es beschaffungsmarktseitig keine Engpässe an Qualitätsware geben ... Dies nur als Anregung - selbstverständlich ist mein Geschmack und meine Vorliebe keine Referenz für die Allgemeinheit. Diese läßt sich im bereits angesprochenen Biergarten in Prüfening offenbar widerspruchlos Aufschnittlangweiler wie Bierschinken und Champignonswurst auf einer Brotzeitplatte gefallen, Produkte, die ich in jeder Auslage eines Metzgers oder Supermarktes links liegen lasse und infolgedessen auch keinesfalls auf einer Brotzeit in einem bayerischen Biergarten sehen will. Dort hat nach meinem Dafürhalten nur regionaltypische Ware eines erstklassigen heimischen Metzgers seinen Platz - bei Josef Kögl ist dem der Fall, er hat mit seinem Lieferanten eine gute Wahl getroffen.

Was wird jetzt bloß aus meiner Rache für Cordoba? Sollte ausgerechnet der Nachtisch die Wende noch bringen, denn bis dahin, hatten die Wirtsleute, nebst dem sehr aufmerksamen jungen Mann im Service, fett gepunktet.

Aber wer ausgerechnet bei einem österreichischen Koch Marillenknödel bestellt (6,90 EUR), der braucht sich nicht wundern, wenn aus dem 3:2 für Austria ex post sogar noch ein 4:2 wird ... Ich red nicht lang herum: Marillenknödel zum Niederknien ... herrlich weich und nur zartsüß der Knödelteig; säuerlich süß die Aprikose - Verzeihung: Marille - im Kern ... crunchy der Bröselmantel, wunderbar fluffig die Begleitung in Form einer - ich würde vermuten - mit Marillenmarmelade aufgeschlagene Schlagsahne - sorry: Obers. Ich habe zweimal in meinem Leben Marillenknödel gegessen, einmal in Joching/Wachau, einmal im Stift Göttweig an deren östlichem Ende. Beide Male war ich von dieser köstlichen österreichischen Nachspeise nicht so angetan wie in den Winzerer Weinstuben aus der Küche von Josef Kögl. Auch meine Begleitung - sehr picky wenn es um Desserts geht - war restlos zufrieden: es war ihr erster Marillenknödel überhaupt und sie verspeiste ihn still und andächtig. Ich kenne sie gut: mehr Lob geht nicht.

Ein flüchtiger Blick ins Innere des Lokales offenbarte uns gediegene, einem Gasthaus dieser Programmatik angemessene Gemütlichkeit im Landhausstil, die Toiletten - die Visitenkarte eines Gastronomiebetriebes an den Gast - waren piccobello.

Das Fazit unseres ersten Besuches: Mein Motto lautet: Das Leben ist zu kurz, um es in mittelmäßigen Lokalen zu vergeuden - Hier fühlten wir uns bestens aufgehoben und wir würden hier jederzeit wieder auf eine Brotzeit und einen Schoppen Wein einkehren.

Was die warme Küche (abseits des Marillenknödels) angeht, kann ich mir noch kein Urteil erlauben, aber irgendwann wird wieder ein Donnerstag sein und dann gibt es in den Winzerer Weinstuben traditionell Wiener Backhendl mit Gurken-Kartoffelsalat und steierischem Kürbiskernöl. Ich werde mich dann wieder melden und berichten.

2 Kommentare:

  1. Eine amüsante und eine weniger lustige Anekdote am Rande:

    Josef Kögl, der Küchenchef der Winzerer Weinstuben informiert mich heute darüber, dass seine Gäste vermehrt das "Bock-Menü" bestellten - Ich frag ihn: was soll das sein Josef? - "Brettjause, Obazda, Marillenknödel - das "Bock-Menü" eben ..." *ggg

    Soweit der lustige Teil - Wenn mir Josef allerdings erzählt, dass ihn Gäste gefragt hätten, wieviel er für seine verdientermaßen positiven Rezension bezahlt habe, dann hört der Spaß auf und läßt tief blicken in die Abgründe der Seelen solcher kleinkarierten Moralzwerge:

    "Was andere uns zutrauen, ist meist bezeichnender für sie als für uns."
    (Marie von Ebner-Eschenbach)

    Damit ist im Grunde alles Wesentliche gesagt ...

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  2. Dank für diese kurzweilige "Empfehlung"...warden heute abend gleich mal testen!

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