Freitag, 13. Mai 2016

Müller-Thurgau-Maniacs (II): Melissa und Stefan Bender

Foto: Weingut Bender
"Müller-Thurgau-Maniac" ist ein Ehrentitel, den wir an junge Winzer jeden Alters verleihen, die sich um die Renaissance dieser leider in Verruf geratenen Rebsorte verdient machen.
 


Manchmal fügt es sich, dass ein schöner Wein Musik gleicht ...

Wollte ich "M-Th's" verschiedener Winzer Werken der klassischen Musik zuordnen , vergliche ich den zuletzt vorgestellten Müller-Thurgau von Christoph Hammel vom Weingut Hammel & Cie. aus Kirchheim/Weinstraße (Pfalz) mit dem Vorspiel des 3. Aufzugs von  Richard Wagners Oper Siegfried (sogar der Text Wotans ("Wache, Wala") passt zur Auferweckung des M-Th "aus langem Schlaf".)

Melissa und Stefan Benders Rivaner-Interpretationen des Weinguts Bender in Neustadt-Geinsheim (Pfalz) vergliche ich hingegen mit Wolfgang Amadeus Mozarts luftig-duftigem, sonnenlichtdurchwirkten Konzert für Flöte, Harfe und Orchester in C-Dur (KV 299).

Mozartisch sind ihre beiden 2015er Rivaner - ja, das trifft es! Wie monumental sie sich doch unterscheiden von Hammels 2015er Müller-Thurgau "Große Tradition" vom Mühlheimer Hochgericht. Und das ist umso erstaunlicher, da beide Weingüter gerade mal 35km Landstraße voneinander trennen ...
von Robert Bock

Wer meinen Artikel über den Hammel'schen M-Th gelesen hat, weiß um meine und Madames Schwäche, ja Leidenschaft für Müller-Thurgau-Weine von Winzern, die diese traditionsreiche Rebe mit Liebe, Können, Sorgfalt und Leidenschaft in Wingert und Keller zu behandeln verstehen. Winzer, die dieser - leider völlig zu Recht! - in den zurückliegenden Jahren vielgeschmähten Rebsorte neue Reize abgewinnen wollen: zeigen, was machbar ist. Wenn man will und weiß, wie's anzustellen ist! Ich nehm's vorweg: Die Benders wissen es! Ihre Rivaner tragen eine individuelle Handschrift. Und das will etwas heißen!

Foto:Weingut Bender
Melissa Bender - frech und selbstbewußt - gratulierte mir via Facebook zu meinem Artikel über Christoph Hammel und seinen M-Th, meinte, sie freue sich, dass es wieder einen wachsenden Kreis von Enthusiasten gebe, der sich für diese Rebsorte begeistere: sowohl Winzer, als auch Konsumenten.

Beides bedingt einander, denn Nachfrage und Angebot stehen in einem Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit. Der Winzer muss von den Ergebnissen seiner Arbeit leben, das kann er nur, wenn seine Produkte auch auf Gegenliebe, sprich: Käufer treffen, die sie zu schätzen wissen.

Stolz sei sie auf den Rivaner/M-Th, den ihr Mann und sie frisch auf die Flasche gezogen hätten, schrieb mir Melissa Bender - und ich war so frei und erfragte, wie oder wo ich denn in den Genuss eines Probeschlückchens dieser Weine kommen könne? Noch habe man keinen Vertriebspartner in Ostbayern, doch das solle kein Hindernis sein ...

6 Tage später klingelt der DHL-Bote und überreicht mir ein Paket mit drei Flaschen aus Neustadt-Geinsheim. Von dessen Inhalt und den Positiv-Verrückten "Müller-Thurgau-Maniacs", die ihn im Zusammenspiel von Terroir, Klima, harter Arbeit, Kunst und Keller hervorgebracht haben soll die Rede sein.

Ich habe beschlossen, meiner Leidenschaft für diese Rebe und die Macher moderner Weine aus ihr Ausdruck zu verleihen und in meinem Blog zu einer lockeren Serie auszubauen. Winzer, die sich wie die Hammels und Benders angesprochen fühlen, wenn man sie in den Kreis dieser "Müller-Thurgau-Maniacs" einreihte, sind herzlich eingeladen, sich bei mir via eMail oder Facebook zu melden ...

Foto:Weingut Bender
Melissa ( 28 Jahre jung; B.Sc. Weinbau und Oenologie, Winzerin) und Stefan (32; Winzer) präsentieren mit ihren roten und weißen 2015ern der Wein-Welt erst ihren zweiten Jahrgang!

Die Hälfte ihrer Rebfläche (ca. 1 ha) wurde 2013 neu bepflanzt und es dauert bis der erste Wein gelesen und gekeltert werden kann. 2015 haben die beiden geheiratet und so wie sich uns ihre Rivaner, wie sie ihren Müller-Thurgau nennen, präsentieren, blicken die Benders in eine vielversprechende Zukunft was die Fortsetzung der Bender'schen Familientradition betrifft.

Foto: Weingut Bender
Die Seniorchefs Marianne und Ludwig Bender, Stefans Eltern, von denen die Jungwinzer das Weingut übernommen haben, stehen den beiden mit Rat und Tat zur Seite. Ein kleiner, mittelständischer Betrieb also - ich mag das sehr! Gerade die Weine solcher Winzer besitzen oft eine ausgeprägte Persönlichkeit und werden von der nationalen und internationalen "Hofberichterstattung" der Weinbranche leider viel zu oft ignoriert, weil es an Marketing-Budget fehlt.

Nun weht also frischer Wind in Neustadt-Geinsheim - und das tut dem M-Th/Rivaner offensichtlich gut! Er präsentiert sich jung, frisch und frei von muffigen Mainstream-Moden. Wobei ich mit dieser Aussage den Seniorchefs nicht zu nahe treten will - schließlich hatte ich nie Gelegenheit deren M-Ths zu kosten.

Ein Blick auf unsere Verkostungsnotizen:


2015er Rivaner feinherb QbA | 5,3 g/L Säure | 22,4 g/L Restzucker | 10,0 %vol Alkohol | vegan | 8 EUR/0,75L am Hof

Im Glas: Hellgelb, duftig-transparent
In der Nase: Banane, Ananas, weiße Weingummi, Holunderblüten, Jasmin, frisch angeschnittene Kaiser-Alexander-Birne
An Zunge und Gaumen: schlanker, feiner, sehr filigraner Körper - der leichtfüßigste, mozartischste Müller-Thurgau, den ich bislang kennengelernt habe; fein strukturierte Frucht mit dominierend Banane und kandierter Ananas, untergeordnet Nashi-Birne, gelbe Weintrauben, Süßmandeln.  Zartes Moussieren im vorderen Bereich der Zunge.

Sonstiges: Verträgt aufgrund des relativ ausgeprägten Restzuckergehalts von rund 22g/L ordentliche Kühlung auf 6-8 Grad; sündhaft süffig und aufgrund des niedrigen Alkoholgehalts auch ein zweites Fläschchen an einem lauen Sommerabend wert. Selten waren sich Madame und ich so uneins: Sie meinte, sie habe selten eine so glasklaren M-Th-Eindruck erlebt, mir fehlten die leitmotivischen Apfelnoten an Nase und Gaumen, um mit ihr konform zu gehen. Hätte ich diesen M-Th blind verkostet - ich bin ehrlich - ich hätte vermutlich auf eine junge Scheurebe getippt. Vielleicht sogar auf einen exzellent gelungenen Bacchus-Kabinett - etwa von den Meintzingers aus Franken. So kann man sich täuschen, wenn jemand mit einem M-Th zu zaubern versteht ...
Speisenbegleitung: Asiatische Gerichte mit milder Schärfe und Kokosmilch; schön geeignet zu dezent gesüßten, mildsäuerlichen Desserts wie Bayrisch-Creme, Käsekuchen, Yaourti me Meli (vollfetter grieschischer Joghurt mit Honig und Walnüssen); zu Knabbersnacks wie gesalzenen, gerösteten Mandeln sowie milden Blauschimmelkäsen.



2015er Rivaner trocken QbA | 5,0 g/L Säure | 2,9 g/L Restzucker | 11,5 % vol Alkohol | vegan | 8 EUR/0,75L ab Hof

Im Glas: Hellgelb, duftig-transparent
In der Nase: Blumig, Holunderblüten, Grapefruit, Boskop-Äpfel, wesentlich dezenter und flüchtiger als bei feinherben Bruder: kandierte Ananas.
An Zunge und Gaumen: deutlicheres Moussieren als beim feinherben Bruder, dadurch erfrischender, schlanker Körper, auch deutlich ausgeprägtere Mineralik, feine Frucht, grüne Paprika, Kräuter, Artischoke
Sonstiges: Von der Frucht her betrachtet, hätte ich auf 5-6g Restzucker geschätzt - die 2,9g überraschen in dieser Hinsicht. Dieser Wein verträgt eine etwas höhere Temperatur von 10-12 Grad. Unter 8 Grad tritt die Frucht in den Hintergrund und wird von den bitter-grasigen Noten, die an einen Sauvignon erinnern, verschattet. Das muss man mögen, mein Fall ist es nicht. Daher eine etwas höhere Temperierung als beim feinherben Kollegen, der gerade durch niedrige Temperatur zur Höchstform aufläuft.
Speisenbegleitung: Spargel, Süßwasserfisch, Hähnchen in dezent gewürzter Zubereitung, mild gewürzte vegetarische Gerichte, Avocado, gesalzenes ofenwarmes Butterbrot. Für deftige, derbe oder wuchtig gewürzte asiatische Speisen m.E. weniger geeignet. Das will für einen Müller-Thurgau, wie man ihn gewöhnlich kennt, durchaus etwas heißen ...

Melissa über die Entstehungsgeschichte der beiden Rivaner: Der Weinberg wurde komplett gelesen, das Lesegut abgepresst, dann geteilt und separat vergoren. Das Ergebnis ist für jeden Weinenthusiasten faszinierend und unbedingt in Parallelverkostung zu beurteilen! Interessant und lehrreich!

Ingesamt stelle ich - eingedenk des Wissens um den Modus der Entstehung nicht überraschend - eine glasklar erkennbare Verwandschaft der beiden differenziert ausgebauten, in beiden Fällen sehr facettenreich und spannungsreich gestalteten Rivaner fest, jedoch erheblich Unterschiede in Bouquet und Aromatik, die beide Weine in völlig verschiedene Verwendungsrichtungen zur Speisenbegleitung geeignet erscheinen lassen.
Das werte ich durchaus als Vorteil, denn im Grunde kann es gelingen - abhängig von den dieses konstituierenden Gerichten, versteht sich - ein komplettes Menü mit M-Ths des gleichen Winzers zu begleiten, eine Domäne, die man ansonsten Silvanern und Grünen Veltlinern zuschreibt.

Interessant wird die Entwicklung dieser Weine in der Flasche sein. Würde mich jemand fragen, bis wann sie ausgetrunken sein sollte, würde ich spontan anraten, dem edlen Stoff bis Frühjahr 2018 den Garaus zu machen. Wobei: Man kann sich bei solchen handwerklich herausragend gut gemachten Weinen erheblich verschätzen und auf  empirische Erfahrung aus der Vergangenheit kann man mangels einer langen Historie der Weine von Melissa und Stefan ja nicht setzen ... Versuch macht klug!


Was Madame und ich uns von den Benders wünschten: Ein "drittes Geschwisterchen" mit einem Restzuckergehalt von 8-10 g bei vergleichbarer Säure von etwas über 5g. Das dürfte einen M-Th ergeben, der sich als wunderbarer Solist und Allzweckwaffe eignen würde. Dies als Anregung für Melissa und Stefan zum Ausleben des unverkennbar vorhandenen Spieltriebs in kommenden Jahrgängen.

Ich frage Madame: Für welchen der beiden würdest du dich entscheiden, wenn du vor der Wahl stündest. Sie überlegt lange, dann entscheidet sie sich für den feinherben Rivaner des Weinguts Bender. Ich mag sie beide auf ihre Art sehr gerne - aber müsste ich eine Wahl treffen, ich würde ebenfalls für den feinherben votieren. Gäbe es den von mir vorgeschlagenen dritten Bruder, wäre mir wohl jener der liebste.

Kurz vor Veröffentlichung ihrer Erhebung in den Stand von Müller-Thurgau-Manics, erreicht uns die für die Benders freudige Nachricht, dass sie bei der Weinprämierung von Selection für ihren Rivaner trocken eine Gold- und für den feinherben eine Silbermedaille erhalten haben. Und das, nachdem bei Mundus vini ihr Riesling schon mit Gold dekoriert worden war.

Na, wenn das nicht unterstreicht, was wir den beiden Schätzchen an Anerkennung gezollt haben? Ob wir damit Melissa und Stefan oder ihre beiden Rivaner meinen, lasse ich offen ...

Es tut sich was in der Pfalz! Man muss sich um die Zukunft dieser Weinbauregion und des Müller-Thurgaus angesichts solch tatendurstiger, experimentierfreudiger Winzer keine Sorgen machen. Wo noch? Müller-Thurgau-Maniacs dieser Welt: Wo seid ihr?




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