Freitag, 27. Januar 2017

Werner Faisst lädt zur Tafelrunde nach Heilinghausen

Kurz zuckt er zusammen, als ihm bewußt wird, wen er da gerade zusammen mit der Olivenöllieferantin seines Vertrauens zu einem kulinarischen Abend in kleinem Kreis eingeladen hat ... Aber schnell fängt sich einer der meines Erachtens besten Köche des Landkreises wieder.

Die Einladung des, wie ich erfahre, als "gefürchtet" beleumundeten Restaurantkritikers von auswärts essen regensburg, hält Werner Faisst aufrecht.

Der angeblich gefürchtete Kritiker hat ihm gerade ein paar schwere Kanister Olivensaftes der neuen Ernte von der Peloponnes ins Allerheiligste seines Restaurants, in die Küche des Landgasthofs Heilinghausen geschleppt. Niedere Fron im Freundschaftsdienst der griechischen Olivenölqueen aus Tegernheim. Jeden Tag eine gute Tat, gutes Karma sammeln, und meiner alten Liebe Griechenland und seinen gebeutelten Menschen ein wenig auf die Beine helfen.

Der Herr Kritiker aus dem Internet, also. So so ... Er kümmere sich ja um derlei neumodisches Internet-Zeug wie Blogs und Facebook nicht, und verstehe im Grunde gar nicht, was das sei. Das mache die Katl, seine Tochter für ihn, sagt Werner Faisst mit seinem rollendem Allgäuer Timbre in der kräftigen, durchdringenden Stimme. Außerdem, fügt er hinzu, stehe er als alter Hase im Geschäft mittlerweile über der Meinung der schreibenden Zunft - ihm sei alleine das Urteil seiner Gäste wichtig. Zu denen suche er, so gut dies sein stressiger Küchenjob zulasse, den persönlichen Kontakt, um sich zu vergewissern, ob alles gepasst habe oder gegebebenfalls auch einmal nicht.
von Robert Bock

Jedem Menschen, auch ihm, unterliefen bisweilen Fehler. Aus denen lernten sein Team und er und versuchten es künftig besser zu machen. Nur  mit Leistungsstreben und Geduld gewinne man in der nicht gerade exponierten geographischen Lage seines Gasthofes peu a peu Stammgäste. Solche haben der Landgasthof Heilinghausen und Familie Faisst, die ihn seit 1991 betreibt, viele.

Warum, darüber konnten die Leser und Leserinnen meines Blogs bereits im Juli 2015 an dieser Stelle lesen. Der Weg nach Heilinghausen, an Regenstauf vorbei sieben Kilometer flussaufwärts ins schöne Regental, lohnt sich. Sollten diesbezüglich auch nur leiseste Zweifel in den innersten Winkeln meines verfressenen Ichs gesimmert haben, nach dem kulinarischen Feuerwerk eines denkwürdigen Abends, über den heute zu berichten sein wird, sind sie mir entgültig ausgetrieben.

Ich frage Werner Faisst vorab, ob ich über den in der Zukunft liegenden Abend im Blog berichten dürfe. Er habe nichts dagegen, sagt er, erneut betonend, dass ihn Kritiken nicht interessierten. Früher, als Jungspund ja, jetzt nicht mehr ...

Über einen kulinarischen Abend zu berichten, zu dem man vom Gastgeber eingeladen wird, ist für Kritiker wie Gastronom eine kitzlige Angelegenheit, denn wohlfeile "Gefälligkeitskritiken" schaden dem einen, wie dem anderen. Dieses Problem ergab sich  in der Vergangenheit bereits einmal für Helmut Schwögler und mich. Meine Praxis, offen damit umzugehen, stieß im Kreis meiner Leserinnen und Leser auf ungeteilt positives Echo und so behalte ich sie bei.

Ihm liebe Freunde, Helfer, Geschäftspartner und Weggefährten versammele er Jahr für Jahr an seiner Tafel, kündigt der bärtige Haudegen an. Seine Frau, die ihm eine große Stütze in der Küche sei, sei kürzlich operiert worden und wandle noch auf Krücken.

Der Marco und der Simon, zwei junge Burschen mit großem Kochtalent, würden ihn und Tochter Katl an diesem Abend in Küche und Service assistieren, kündigt Faisst an.

Martin Kandlbinder, Chef der Einkehr zur alten Post in Ponholz, als eines von lediglich zehn Restaurants der Oberpfalz dekoriert mit der begehrten Aufnahme in den Bib-Gourmand, dem kleinen Bruder des Guide Michelin, gesellte sich dazu. Primär als Gast der Tafelrunde, aber dann und wann entschwand er als helfende Hand in die Küche.

Auch der Landgasthof Heilinghausen bekommt von den Michelin-Testern übrigens ein Lob - nachzulesen hier ... "Eine Küche mit guter Qualität - Qualitätsprodukte, fachkundig zubereitet: einfach ein gutes Essen!"

Gänsestopfleber habe er besorgt, kündigt Werner Faisst an, schwarze Trüffel, die er in Spyridoulas feinem Olivenöl - das Beste sei für diese Veredelung der sündhaft kostspieligen Pilze gerade gut genug, meint er -, Saiblinge und niederbairische Bauerngänse. Mehr verrate er nicht - aber mehr braucht man als Freund guten Essens auch nicht wissen, um zu ahnen, dass Großes zu erwarten ist!

Für die Weinbegleitung zeichnet an diesem Abend sein Freund Rudi Zitzelsberger vom Sinzinger Weinkontor verantwortlich. Um es vorweg zu nehmen: er bewies eine außerordentlich sichere Hand und viel Gespür bei der Auswahl der Getränke. Formidable Weine, Gang für Gang. Wer gut beraten sein will, findet in Rudi Zitzelsberger einen kompetenten Ansprechpartner, der viel  Konkretes zu erzählen weiß, aber wohltuend wenig Blumiges über seine handverlesenen Tröpfchen schwafelt.

Die Gäste trudeln ein, teils kennt man sich seit vielen Jahren, teils lernt man einander kennen. Ein trockener Sekt erfährt Veredelung durch einen Schuss des nordgriechischen Essig-Elixier "isis" von Spyridoula Kagiaoglou, um das Werner Faisst sie gebeten hatte, mitzubringen. Die Griechin und der Allgäuer kennen sich gut und haben miteinander bereits Kochveranstaltungen unter dem Motto "Bairisch-griechische Fusionküche" bestritten.

Mit einem Gelben Muskateller, vom Weingut Nigl im Kremstal in Österreich, trocken ausgebaut, von opulenter Frucht in der Nase, floralen Noten und animierender Frische an Zunge und Gaumen, bewegt sich der Abend auf einen ersten Höhepunkt zu:

Zweierlei von der Gänsestopfleber: Terrine von der Gänsestopfleber mit Quittengelee und gebratene Gänseleber mit Hummus und Wachtelei.

Dazu ein Glas weißen Portweins - eine kongeniale Ergänzung.

Beide Geflügellebergerichte sind Werner Faisst vorzüglich gelungen. Ausgezeichnete Ausgangsprodukte, kompetente Verarbeitung und jahrzehntelange Erfahrung - mehr muss ich nicht sagen.

Die Produzentin des Quittengelees, sie und ihr ebenfalls anwesender Gatte sind Freunde der Familie, sitzt mit am Tisch. Ich habe nie ein besseres Gelee gegessen, noch nie eine so stimmige Verbindung eines Fruchtgelees zur feinen Aromatik einer cremigen Gänseleberterrine erfahren, wie an diesem Abend. Schade, dass man diese Köstlichkeit nicht kaufen kann ...

Fragte mich jemand, ob Hummus als Begleiter einer gebratenen Gänseleber mein erster Einfall wäre, müsste ich verneinen. Was mich jedoch in Begeisterung versetzt, ist dieses unscheinbare Wachtelei: ich teile es in zwei Hälften und ein wachsweicher, cremiger Dotter glänzt mir entgegen. ... Ein geschältes Wachtelei mit perfekt gegartem Dotter? Wie hat Werner Faisst das bloß geschafft?

Wer nicht fragt bleibt dumm: Der Gastgeber holt aus, erzählt wie lange er erfolglos experimentiert habe. So sei der Werner, meint seine Olivenöllieferantin: er fuchse, er tüfftle, strebe nach Perfektion ...

Er tüfftelte, bis ihm eines Tages ein Sternekoch das Geheimnis perfekt gegarter Wachteleier verriet. Werner Faisst teilt es mit der Tischgemeinschaft - aber ich werde schweigen wie ein Grab, meine Leserschaft einem der großen Rätsel der Kochkunst anheimgeben, und demnächst mit meinem Freimaurerlogenwissen einen Selbstversuch starten ...

Rudi Zitzelsberger umkreist den Tisch und füllt ein etwas voluminöseres Weißweinglas zum Auftakt in den zweiten Gang des Menüs.

Das deutet Richtung Burgund, das deutet möglicherweise auf Weißwein aus dem Eichenholzfass hin. Und siehe da: Eine 2015er Cuvée aus Chardonnay und Weißburgunder, Teilbarrique, vom VDP-Weingut Rings aus der Pfalz soll den Fischgang unterstreichen.

Dieses Tröpfchen wird mein Wein des Abends sein, vereint er doch, Frucht und Würze mit dezenten, nicht zu aufdringlichen und gut integrierten Vanille- und Holznoten bei feiner Mineralik und knackiger Säure. Ein großartiger Wein! Für unter 10 Euro die Flasche? Na, wenn das keine Aufforderung ist?

Saiblingsfilet, gargezogen bei 70 Grad, auf cremigem Risotto mit einer Soße von Schwarzen Trüffeln, Sahne und Spyridoulas Olivenöl.

Der Fisch ist besser wohl nicht zu garen, kann sich nicht entscheiden zwischen noch roh und schon durch - perfekt in der Schwebe, aromatisch, fleischig, zart. Keine einzige Gräte trübt den Genuss. Ich habe anläßlich einer Kochsendung des Bayerischen Rundfunks, in der ich vor langer Zeit mitwirkte, im fränkischen Bürgstadt das Vergnügen 25 Saiblinge zu filetieren, aus der der Chef eine hinreissende Suppe vom Saibling mit Safran schuf. Ich weiß, wie schwierig das für ungeübte Hände ist und verbeuge mich vor soviel Können und Routine.

Vielleicht war da ein Hauch viel Salz an der einen oder anderen Stelle des Fischfilets und ein Tüpfelchen Grün auf der Tellerdekoration hätte dem Blick einen Anker geboten - aber ich muss ja irgendwas zum Mäkeln finden, sonst wirft man mir womöglich Voreingenommenheit vor.

Der Risotto ist perfekt im Biss, fließt schön a londra. Cremig, schlotzig ist er - aber aromatisch schlicht und das ist gut so, denn die Hauptrolle spielen Saibling und Trüffel!

Ist dieser Gang übertrumpfbar? 

Der dritte Gang steht ihm in nichts nach:

Ausgelöste Niederbairische Bauerngans mit Kartoffel-Petersilienwurzelpüree und Blaukrautpüree - Großartig!

Die Soße ist dicht und aromatisch - nicht zu fett! Das Fleisch zart und gschmackig, die Haut kross.
Beide Pürees sind hervorragend - primus inter pares ist für mich das Blaukrautpüree. Ich frage meinen Tischnachbarn, den Küchenassistenten Marco, ob da ein Thermomix im Spiel gewesen sei ... Jawohl, von daher die sagenhaft cremige Konsistenz.

Ich gebe zu, dass ich je ein Gericht aus dem Thermomix loben würde, hätte ich mir zu Beginn des Abends nicht ausgemalt ... Es entspinnt sich mit Marco - im Hauptberuf Justizvollzugsbeamter - und Simon, eine interessante Fachsimpelei über den Sinn und Unsinn des Einsatzes solcher Geräte in Profiküchen, auf deren Kernthesen ich an dieser Stelle aber nicht weiter einzugehen gedenke.

Der Wein zur Gans kommt aus Südtirol. Ein Pinot Nero vom Weingut Maso Thaler, der sich mit satten Zwetschgen- und Waldfruchtaromen hervorragend an die Gans und ihre Beilagen anschmiegt.

Mein Tipp: Bevor ihr 16 EUR beim Discounter für einen charakterlosen Brunello di Montalcino oder ausgelutschten, flachen Amarone ausgebt, legt vier Euro drauf und holt euch im Weinkontor Sinzing lieber ein Fläschchen dieser Bombe von einem Spätburgunder für festliche Tage.

Es nähert sich der Abschluß des Menüs und dieser würde krönend werden: Mousse von Weißer Schokolade und Tonka-Bohne an Himbeerspiegel.  

Marco dürfte sich vom Schlagen der Mousse über dem Wasserbad einen Muskelkater eingeheimst haben. aber das war es wert: Die Tonkabohne - ins Gericht gerieben wie Muskatnuss - nicht lediglich ein paar Stunden in der Sahne eingelegt oder ausgekocht - spendiert der weißen Schokolade einen Knalleffekt, den man nicht beschreiben, den man erlebt haben muss.

Rudi Zitzelsberger kredenzt dazu einen edlen Dessertwein: Ein 1990er Rivesaltes Ambré AC, L'Âge de Raison aus Südfrankreich ist weder zu dominant, noch geht er gegen die wilden Aromen der Tonkabohne unter, strafft sich, hält dagegen. Schöne Sache - kannte ich noch nicht.

Zum Finale ein Gläschen Champagner (Carte d'or Jeroboam, Champagne Drappier, Champagne) und ich fühle mich sauwohl in meiner Haut, die um den Ranzen bedenklich spannt ... Klare Aromatik von Quitten - Streuobstwiesenquitten, behaupte ich und weiß, Rudi Zitzelsberger - ebenfalls Mitglied der Weinfreunde Ostbayern auf Facebook - wird sich amüsieren, falls er das liest ...








v.l.n.r. Martin Kandlbinder, Werner Faisst, Spyridoula Kagiaoglou
Werner Faisst wirkt zufrieden, seine Gäste sind es jedenfalls. Ein großartiges, in sich stimmiges Menü ohne Schwachpunkte haben er und sein Team uns gekocht und serviert. Angenehme, familiäre Atmosphäre, nette Menschen, feine Weine. Und wer mitgekocht hat, sitzt auch mit zu Tisch - was für ein schöner Abend!

Ein Abend, den Spyridoula mit handgemachten Ouzo-Trüffel-Pralinen mit Aromatik "Coffee" und "Mastiha", die sie von Konditormeisterin Julia Fischer von der Zuckerpuppe in Schwandorf auf Basis edler Valrhona-Schokolade und aromatisierten Ouzos fertigen lässt, mit einem zweiten Dessert in den extrem gemütlichen Teil überleitet.

Man fachsimpelt über die Kunst der Wahl der richtigen Schokolade für die Umhüllung und des Alkoholgehalts der Ganache einer Trüffelpraline. Martin Kandlbinder kennt sich aus, mutmaßt und eruiert. Es macht Spaß, einem nach den Sternen greifenden Profi wie ihm beim lauten Nachdenken zuzuhören.

Und wenn man schon auf den Ouzo-Geschmack gekommen ist, dann muss auch Ouzo auf den Tisch! Das gesamte Sortiment von sieben Ouzos der Destillerie Loukatos aus Patras - ein klassischer Ouzo ("der Blaue") und sechs aromatisierte Varianten ("Sieben auf einen Streich") kreisen in 200ml-Flaschen um den Tisch.

Am Ende entscheidet der verbliebene Füllstand, welcher der Favorit der bemerkenswert ouzo-erfahrenen Runde ist: "Der Blaue" vor "Ouzo Coffee" und "Ouzo Mastiha".

Je leerer die Fläschchen, desto bunter die Anekdoten aus vergangener Zeit. Es muss hoch hergegangen sein im still anmutenden Heilinghausen. Von nächtlichen Schüssen auf Ortsschilder und Autotüren ist die Rede und Ortsbewohnern, die damals allesamt zeitgleich auf dem Klo gewesen seien und nichts von alldem mitbekommen  haben wollen ...

Martin Kandlbinder verkostet, derweil die Geschichten immer abenteurlicher werden, alle sieben Ouzos mit sichtlicher Andacht und entführt schließlich eine Flasche "Ouzo Coffee" nach Ponholz in seine "Einkehr zur alten Post": Die Idee einer "Ouzo-Coffee-Eiscreme" habe sich in seinen Gedanken festgebissen. Er verspricht uns, uns vom Ergebnis kosten zu lassen. Wir werden den Chef beim Wort nehmen ...

1 Kommentar:

  1. Werner Faisst ist der beste! Schon seit 15 Jahren bekocht niemand anderer außer ihm alle unsere Festivitäten! Für mich DER Standart was Fleischzubereitung betrifft, aber auch quasi alles Andere finde ich richtig geil dort! Sein Restaurant war auf Anhieb etwas Besonderes für uns, weil es unseren Geschmack kulinarisch einfach 100%ig trifft, und es hat ihn seither auch zweifellos seinerseits weiter geprägt. Auch liegt uns Werner Faissts ja teilweise durchaus etwas unangepaßte Persönlichkeit sehr, und wir sind dankbar für seine Freundschaft. Zu gern wäre ich bei diesem Essen auch dabei gewesen, aber unglücklicherweise war ich krank (ZU krank um zu Faisst zu gehen stellt bei mir die unmittelbar letzte Stufe diesseits eines Krankenhausaufenthalts dar).

    Mein Favorit wäre wohl die Vorspeise gewesen, denn ich LIEBE Stopfleber. Aber bekanntermaßen ist auch der faisstsche Gänsebraten selber kaum zu toppen. Die meisten, die ich im Laufe meiner Gänsebratenverzehrkarriere probieren durfte, waren schlechter, einige fast so gut, wenige genauso - eine Gans die definitiv eindeutig besser gewesen wäre, ist mir tatsächlich noch nicht untergekommen.

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