Mittwoch, 15. Februar 2017

Weißwurstfrühstück im Spitalgarten zu Regensburg

Wir schreiben den 10. Februar im Jahre des Herrn 2017. Ein Tag wie eine Verheissung: Die Sonne lacht aus blauen Himmeln und mir ist, als ließe der Frühling weit vor der Zeit sein blaues Band durch die Lüfte flattern.

Ich sitze auf der Terrasse des Spitalgartens mit Blick auf den Dom und die schier ewig währende Baustelle der Steinernen Brücke.

Vor mir und meinem Gast aus Nordrhein-Westfalen dampft eine schöne Schüssel Weißwürscht.

Ich reisse einen Fetzen von meiner röschen Brezn ab, nehme einen Schluck vom Pale Ale der Manufaktur-Reihe der Spital-Brauerei und frage mich, ob ich je so früh im Jahr in einem Biergarten gesessen bin. Das Wetter ist tatsächlich biergartentauglich und am Ende des Tages werde ich beim Blick in den Spiegel gar einen Anflug von Rötung auf meiner Haut erkennen.
von Robert Bock

Mir gegenüber sitzt Annika. Zu Köln geboren, kommt ihr die Kulisse mit gothischer Kathedrale vertraut vor. Obschon ihr Vater gebürtiger Niedertraublinger, ist sie zum ersten Mal in Regensburg und verspeist zum allerersten Mal eine Weißwurscht. Ja, tatsächlich! Für einen Baiern unvorstellbar. Sogar für einen oberfränkischen und vor 31 Jahren aus Niederbayern zugezogenen Wahl-Oberpfälzer wie mich.

Zu ihrem Glück erlebt sie ihre Weißwurschtpremiere auch noch mit dem richtigem Senf dazu. Ich habe Annika versprochen, ihr meine Stadt zu zeigen und ihr, in der Kürze der uns zur Verfügung stehenden Zeit, bairische Wirtshauskultur näherzubringen.

Die Weißwurscht hier im Spitalgarten findet sie ungemein lecker und auch ein halbes Tütchen zuckersüßen Händlmeiersenf gönnt Annika sich zu ihren beiden Weißwürschten von der Metzgerei Payerl aus Schierling am späten Vormittag.

Breze und Bier lassen Annika kalt: Die Halbschwedin ist nämlich eine Ikone der LCHF-Bewegung in Deutschland, betreibt eine vielgelesene Website zu diesem Thema und ernährt sich Low Carb-High Fat.

Einen sehr lesenswerten Bestseller ("Entpuppt") hat sie zu diesem Thema geschrieben und hat sich seit vielen Jahren der Aufgabe verschrieben, Menschen mit entgleistem Stoffwechsel die Vorzüge einer ketogenen Ernährung nahezubringen und sie bei der Umsetzung in die Praxis zu unterstützen.

Über die "Baustelle Spitalgarten" wurde in den zurückliegenden Monaten in den lokalen Medien viel berichtet. Eine großangelegte Umbau- und Renovierungsmaßnahme des Gebäudeeigentümers, die Gasträume und insbesondere die Küche betreffe, mache den Pächtern, der Familie Sperger aus Thalmassing, das Leben schwer. Zwar sei das Umbauprojekt weder mit dem Berliner Flughafen, noch der Elbphilharmonie in Hamburg zu vergleichen, aber die Baustelle wuchere, wie Baustellen, ehe man es sich versieht, gerne wuchern, und der Zeitplan gerate aus den projektierten Fugen ...

Um ehrlich zu sein: Wir merken als Gäste an diesem Tag nicht viel von diesen Problemen im Hintergrund. Und so soll das auch sein. Was kümmert's den Gast, wenn ihm Speis und Trank munden, wenn das Gebäude hinter der Fassade teilweise völlig entkernt ist?

Wieviel Arbeit, welche logistische Meisterleistung allerdings hinter dem Funktionieren eines Gastronomieflagschiffes wie dem Spitalgarten stecken unter solch erschwerten Bedingungen, kann der Gast, der in der zwar aktuell verkleinerten, aber gemütlich und gediegen eingerichteten Gaststube vor seinem Schweinsbraten, einer Brotzeit und einer Halben Bier den lieben Gott einen guten Mann sein läßt, allenfalls erahnen ...

Conny und Anton Sperger machen Annika und mir die Freude einer Baustellenführung und zeigen uns die improvisierte Küche, die sie in einem schmalen Durchgang generalstabsmäßig und zweckorientiert installiert haben. Die neue Küche sei - toi,toi,toi - Juni 2017 betriebsbereit. Bis dahin muss in Thalmassing gekocht werden.

Mittels Konvektomat genannter Heißluftöfen und moderner Sous-Vide-Garer, in denen vorgegarte, vakuumierte Speisen mittels Niedertemperatur zu Ende gegart werden, versuchen die Spergers die gröbste Zeit so zu überbrücken, dass ihren Gästen gar nicht auffällt, welch gigantischer logistischer Aufwand hinter der Überbrückung dieser Bauphase für die Wirtsleute steht. Eine Mikrowelle hätten sie für den Fall der Fälle zwar auch in Reserve, aber dass man mit Mikrowelle kochen würde, sei so nicht richtig.

Zehnmal am Tag bringe man die Speisen von Thalmassing aus nach Stadtamhof, gebe ihnen in der Behelfsküche im Spitalgarten den letzten Schliff und die zuverlässig und gewohnt herzliche Bedienung, bringe sie mit Liebe an den Gast.

Der künftige Gastraum

Wir merken nichts von diesen technischen Herausforderungen. Kein Baulärm, kein Dreck - die Gaststube ist piccobello und gut besucht. Wer je gebaut oder umgebaut hat, weiß, dass das nicht selbstverständlich ist.

Wann der Betrieb wieder völlig unbelastet von Baumaßnahmen laufen werde, frage ich. 2018 sei projektiert. Dann würden neben blitzblanken Gasträumen auch Gästezimmer zum Übernachten im ersten Stock zur Verfügung stehen.

In diesem gähnenden Loch wird einst die neue Küche stehen
Hauptsache die Küche sei bald einsatzbereit, seufzt Conny Sperger, und ihr Mann, pflichtet ihr nickend bei.

Beiden kennt man die enorme Belastung der zurückliegenden Wochen an. Der Stress schlaucht. In manchen Nächten dürfte der Schlaf unruhig sein und die Sorgen drücken. Ihre Existenz hängt an diesem Projekt ...

Die beiden geben ihr Bestes, ihren Gästen einen schönen Aufenthalt in einem der schönsten Biergärten und Wirtshäusern der Stadt zu ermöglichen und meiner Meinung nach gelingt ihnen das überzeugend.

Die Karte ist schmaler als sonst - gerade das empfinde ich persönlich aber als großen Pluspunkt! Vielleicht begreifen die sympathischen Wirtsleute diese schwierige Zeit auch als Chance, künftig mit einem schlankeren, dafür aber tadellos und handwerklich blitzsauber gekochten, typisch bairischen und oberpfälzer Speisenangebot Maßstäbe in Regensburg zu setzen?

Leut' seid's so nett und machts Euch doch selbst ein Bild der Lage. Kehrts gelegentlich im Spitalgarten ein! Gerade in schwierigen Zeiten brauchen Wirtsleut jeden Gast, um so eine Phase des Umbruchs durchzustehen.

Wir Regnschburger müssen zusammenhalten und uns gegen die Mcdonaldisierung bairischer Wirtshauskultur durch Münchner und andere auswärtige Systemgastronomen verbrüdern. Unterstützt unsere heimatverwurzelten Wirte, sonst sitzen wir in Zukunft nur noch in Schwein-E-bratenkantinen mit Selbstbedienung und tschüsselnden Wirtsleuten und man serviert uns, wenn wir ein großes Bier bestellen, keine Maß, sondern eine Preissn-Hoibe und statt eines ehrlichen Krautsalats einen "Cole Slaw Bavarian-Style"!

Auf in den Spitalgarten! Machts Euch selbst ein Bild davon, wie professionelles Gastronomiemanagement unter erschwerten Bedingungen aussieht. Ich ziehe meinen Hut vor Conny und Anton Sperger, wünsche Ihnen einen reibungslosen weiteren Ablauf des Umbauprojekts und pünktliche Einsatzbereitschaft der nagelneuen Küche im Juni.

Annika und ich machen uns satt und zufrieden auf den Weg zum Alten Rathaus: Eine Führung durch Reichstag und Fragstatt haben wir gebucht. Ich mach die erst zum zweiten Mal. Besuch ist eine schöne Gelegenheit der eigenen Stadt neue Seiten abzugewinnen ...

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