Dienstag, 15. August 2017

Gawa, o gawa ...

Den ein oder anderen Buffet-Asiaten im Raum Regensburg habe ich in der Vergangenheit bereits besprochen - einen jedoch noch nicht, obwohl ich in der Vergangenheit bereits recht oft zu Gast war. Weshalb nicht?

Weil mich die eigennützige Sorge umtrieb, die übliche Melange aus Mitbürgern mit osteuropäischem bis zentralasiatischen Migrationshintergrund in Adiletten, Goldkettchen und Muscle-Shirts, aus Spezi-Trinkern und eingeborenen, vom Gefühl des Zukurzgekommenseins getriebenen Buffetheuschrecken fiele dort ein und werde mir den Aufenthalt verdüstern ... Seit mindestens zwei Jahren bin ich mittlerweile nicht mehr in diesem Lokal gewesen - Zeit, das zu ändern und nach dem Rechten zu schauen.

Vom Ogawa in Regensburg ist die Rede. In der Schergenbreite 1, unmittelbar am Gewerbepark im Nordosten der Stadt gelegen, zählt es zu den etablierten Restaurants seiner Art. Einst hat man als reines Sushi-Lokal begonnen, heute verspricht man dem Gast "Sushi & Mehr". Das läuft faktisch auf die gewohnte Palette aus Sushi-Variationen, frittierten oder im Wok zubereiteten Speisen sowie "Mongolisches Buffet" hinaus. Ergänzt um Suppe, Salate und Nachspeisen würde man platzen, goutierte man von allem, wirklich allem, auch bloß ein Häppchen.
von Robert Bock



Asiatische All-You-Can-Eat-Restaurants mit Buffet sind ein Phänomen an dem sich die Geister scheiden ...

Spielte allein die Zahl der Gäste die maßgebliche Rolle bei der Einschätzung, was guten von schlechtem Geschmack trenne, lägen sie gemeinsam mit Systemgastronomen wie McDonalds & Co. weit in Führung und jeder mit Sternen, Hauben und Kochlöffeln dekorierte Gastronom könnte seine Messer packen.

Es ist wie in allen Sparten der Kultur: Ginge es ausschließlich nach dem Geschmack der Masse, bräche die Hohezeit der Kulturpessimisten an. Für Satire mag mancher Feinschmecker  beispielsweise den Namen eines dieser asiatischen Quadratmeterschlachtschiffe in Schwandorf empfinden, der sich selbst frech "Gourmet Tempel" heißt. Man beachte alleine die Schreibweise und weiß, dass in oberpfälzer Amtsgerichten beim Eintrag ins Handelsregister die zuständigen Beamten den Antragsteller nicht auf seine orthographischen Defizite hinweisen ...

Gottlob bestimmt die gastrosophisch leicht zu begeisternde Plebs nicht die kulinarischen Benchmarks. Alleine schon deshalb, weil sie im Regelfall nicht nur mit einer angeborenen Abneigung gegen die Klänge der Wiener Klassik, sondern auch gegen gegen das geschriebene Wort geschlagen und kaum geneigt ist, sich an derlei Diskussionen zu beteiligen. So dominiert im öffentlichen Diskurs kulinarischer Fragen die Championsleague der Genüsse die Kreisklasse.

In der Vergangenheit zeichnete sich das Ogawa in meinen Augen stets durch Alleinstellungsmerkmale aus: Zurückhaltender Einsatz von Glutamat, ein hinreissender Spinat-Salat mit Tahin und Sesamsaat, die wundervollen Dim Sum (gedämpfte chinesische Teigtaschen im Bambuskörbchen), ordentlich gemachte, vielfältige Sushi, stilvoll im kleinen Kännchen servierter Jasmintee - und kein Publikum, dessentwegen man vor lauter Kopfschütteln, Wundern und Fremdschämen auf's Genießen vergisst.

Der neuerliche Besuch ist mir ein Stück Ernüchterung: Keine Dim Sum mehr, der Tee nicht mehr im Kännchen, sondern in einem Büro-Kaffeehumpen, die Sushi wirken optisch zerfleddert, deren Auswahl kleiner und das Dessertbuffet wird mittlerweile dominiert von Mini-Mohrenköpfen und -Muffins aus dem Großmarkt. Die Auswahl an frischem Obst ist, der Ehrenrettung halber ausdrücklich erwähnt, nach wie vor groß.

Das nach wie vor sehr freundliche und flink arbeitende Personal rekrutiert sich an diesem Abend im Ogawa etwa hälftig aus Osteuropäern. Dem war früher nicht der Fall. Auch am "Mongolischen Grill" steht ein wortkarger bulliger Mann mutmaßlich ukrainischer oder russischer Herkunft.

Das muss dem Geschmack der Speisen keinesfalls abträglich sein, aber ich persönlich mag es, wenn mich Menschen bekochen und bedienen, deren kulturelle Wurzeln dicht mit den Speisen, die sie mir zubereiten, verbunden sind.

Das trägt meines Erachtens zur Glaubwürdigkeit der Küche und Authentizität eines Restaurants bei. Ich gehöre zu der Sorte Gast, die beim Inder indisch essen - und dort weder Pizza noch Gyros bestellen, auch wenn es auf der Karte ist. Ok, Gyros bestelle ich auch beim Griechen nicht und wünschte mir stattdessen dort bisweilen eine Pizza, aber das ist eine andere Geschichte ...

Meinen geliebten Spinat-Salat finde ich vor. Ein Glück! Die Auswahl an Gemüse, Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten für den Mongolischen Grill ist hervorragend, die Frische der Zutaten einwandfrei.

Nach wie vor schmecken auch die warmen Speisen vom normalen Buffet weniger versalzen und der Eigengeschmack der Zutaten kommt besser zum Tragen als in vergleichbaren Lokalen.

Insgesamt aber hat man sich, was die Speisenauswahl angeht, dem Mainstream angenähert. Trotzdem hat das Ogawa - ohne dass ich alle Lokale dieser Art in der Region kenne, noch das Bedürfnis verspüre sie alle kennenzulernen - für mich persönlich nach wie vor die Nase vorn. Auch das Publikum ist nach wie kultivierter und weiß sich gesitteter zu benehmen als jenes anderer asiatischer Buffet-Lokale.

Den früher üblichen Pflaumenwein zur Rechnung behält man mittlerweile ein und untermauert damit meinen Eindruck, dass man im Ogawa das japanische Kaizen-Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung in den zurückliegenden beiden Jahren rückwärts gelebt hat. Schade. Sehr schade!





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