Donnerstag, 11. Februar 2016

Im Restaurant Schwögler in Bad Abbach

Wo bleibt der erste Stern?

Ist es die Möglichkeit? Die Profitester des Guide Michelin bewerten die Küchenleistung dieser gastronomische Perle fortgesetzt zu tief. Das ist Madames und meine Überzeugung. Und zu dieser stehen wir ...

Wer einigermaßen kulinarische Erfahrung gesammelt, Lokale mit Anspruch - mit und ohne Sternendeko - besucht hat und möglicherweise selbst ein wenig Kochen kann, wird - nein: MUSS - erkennen, welch ausgezeichnete Küche und angenehmes, zeitgemäßes und zugleich zeitloses wie geschmackvolles Ambiente das Restaurant Schwögler in Bad Abbach in sich vereint. Deswegen fragen Madame und ich:

Verehrte Redaktion des Guide Michelin,
was ist los mit Euch? Kennt Euer Navi Bad Abbach nicht, oder fehlt es an Sachverstand und/oder Objektivität, zu erkennen, dass Helmut Schwögler und seine leidenschaftlich agierende Küchenbrigade reif sind: Ein Stern wäre unseres Erachtens längst verdient und überfällig! Eine Erwähnung "Bib Gourmand" ist zu wenig!
Hochachtungsvoll ...
Allerdings: Küche und Ambiente sind das eine - der Service das andere. Liegt dort womöglich der Hund begraben ...?

von Robert Bock
Jahr für Jahr stelle ich eine weitere Verbesserung der Performance fest - ich besuche das Lokal mittlerweile seit mehr als 12 Jahren, nicht häufig aber regelmäßig; es dürfte mein neunter oder zehnter Besuch gewesen sein. Mittlerweile hat die Leistung der Küche einen Grad an Reife erreicht, der Zeugnis vom unverkennbar vorhandenen Willen zur kontinuierlichen Verbesserung ablegt.

Größte positive Überraschung am heutigen Abend: Die Küche hat die frechen "Rock'n'Roll-Jahre" hinter sich und präsentiert sich ohne die provozierenden, jedoch gelegentlich eher halbgaren Mätzchen der wilden Jahre, ohne ins konservativ-gediegene Langweilerfach abzugleiten.

Ich will nicht behaupten, dass das erste Anzeichen von Altersmilde bei Helmut Schwögler wären, dafür ist er zu jung - es deutet sich vielmehr an, dass er in die Periode des Zenits seines Schaffens eingetreten ist. Möge ihn diese Phase noch viele Jahre tragen.

Man hat inzwischen sogar das Timing im Griff! Kaum zu fassen - das war bei Schwögler nicht immer so -  Keine Wartezeit von 90 Minuten auf das Dessert wie früher beispielsweise. Wer Helmut Schwöglers wilde Anfangsjahre mit Zander mit Blutwurst und in der Spülmaschine gegarten Fisch nebst der nahezu legendären Aceto-Erdbeeren auf der Zuckerrutsche im Dessert in Erinnerung hat, erlebt heute moderne Küche ohne zwanghafte Sensationshascherei. Die Saucen sind nicht mehr übersalzen und überkonzentriert - endlich hat man verstanden: Weniger ist manchmal mehr ... Der Komponist Eric Satie, der Jazz-Trompeter Miles Davis, die Gitarristen Eric Clapton und Bill Frisell beispielsweise, haben es früh für ihr Spiel erkannt, dass es nicht auf die Anzahl der Noten pro Takt ankommt, sondern dass es die richtigen Noten sind, die eine Atmosphäre der Zeitlosigkeit erzeugen. Wer auch immer im Team von Helmut Schwögler für den neuen, erlebnisverstärkenden  Reduktionismus bei der Komposition der Speisen verantwortlich zeichnet: Chapeau!

Madame feierte am Tag unseres Besuches Geburtstag. Es hat schon etwas zu bedeuten, dass wir ihn ausgerechnet bei Helmut Schwögler feiern wollten ...

Zunächst ein weißer Portwein als Aperitif. Charaktervolle Honignoten, gute Qualität. "Nett", aber nicht umwerfend. Ferner eine große Flasche stilles Wasser ...

Zur Feier des Tages - Madame entscheidet und ich füge mich dem Willen des Geburtstagskindes - soll es das Wintermenü mit 5 Gängen zu absolut fairen EUR 48,50 EUR sein. Daraus wurden letztlich sieben Gänge, denn unverhofft streute die Regie - als zweiten Gruß aus der Küche - vor dem Hauptgang ein überaus charmantes Mon-Cherie-Sorbet ein ...

Was die Weinbegleitung zum Menü angeht, folgen wir der Empfehlung des Hauses, und leeren mit Genuss eine Flasche Grüner Veltliner, 2014er Hochrain, Weingut Gerald Waltner, Wagram/AUT zu angemessenen 23,50 EUR:

Ein knochentrockener, junger und noch moussierender Veltliner, den ich in einer derartigen Stilistik bislang selten bis nie getrunken habe. Hätte ich ihn blind verkostet, wäre mein Tipp eher in Richtung eines Silvaner Kabinett, eines Sauvignon Blanc, eines US-Riesling von der Ostküste oder eines Chardonnay gegangen - aber ein Grüner Veltliner dieser Art ...? Kaum sortentypisches "Pfefferl", so viel ausgeprägte Mineralität ...?

Der Wein harmoniert jedenfalls vortrefflich zu jedem Gang des Wintermenüs, hätte selbst zum Fleischgang gepasst, aber Madame bestellte sich eine Cuvee aus Südtirol (Cabernet Sauvignon, Lagrein, Merlot), die eine Weile auf Holz gelegen haben dürfte und - zwar in einem Burgunderpokal nicht zwingend optimal serviert - aber durchaus überzeugen konnte. Madame resümiert: Wenn nochmal, dann besser einen weniger schweren Spätburgunder zum Schwein. Diesen Grünen Veltliner jedenfalls würden wir jederzeit wieder ordern: Ein idealer Tausendsassa als durchgängige Menü-Begleitung, wie ansonsten allenfalls Silvaner aus dem Maindreieck (Würzburger Stein, Sulzfelder Cyriakusberg) oder dem Steigerwald, beispielsweise vom Rödelseer Küchenmeister oder Iphöfer Kronsberg.

Nun aber ran an die Speisen des Abends ...

Ofenfrisches Baguette mit lecker-schmecker Brotaufstrich.

Für einen Gruß aus der Küche dieser Art (Brot mit Gedöns) ein Highlight. Die Limonen-Salz-Butter hinreissend, der Paprika-Frischkäse von einer so ausgeprägten Paprika-Aromatik, dass ich still und andächtig genoss. Sechs verschiedene Sorten Brot, dazu zwei (hausgemachte?) Riesenkartoffelchips. Sehr schön! Hier zeigte sich gleich vom Start weg eines: Agape - ἀγάπη -, wie die alten Griechen sagten: Liebe und Leidenschaft. Ohne Liebe kann man sich recken und strecken wie man will, es wird zu einer faden, zur Speise geronnenen Geringschätzung des Gastes. Hier nicht: Hier schürt das Entré die Lust auf mehr.

Terrine von Frischkäse & Eismeerlachs / Medaillon in der Apfelkruste / Avocado-Meerrettichcreme / Brioche

Selten hat mich ein erster Gang so überzeugt wie dieser. Die Terrine fluffig, im Mund schmelzend, die Meerrettichcreme nebst dem nach Wasabi schmeckendem Klecks Sorbet und den scharfen Sprossen ... Die ästhetische Präsentation nicht zu vergessen: Hier setzt Schwöglers Küchenmannschaft ein Ausrufezeichen, was Menüeröffnung betrifft. Die Brioche hätte fluffiger und süßer sein können, um nicht mit Toast verwechselt zu werden - aber das fällt unter Spitzfindigkeit, nicht unter Substanzielles.


Cappuccino von Zuckerschote & Parmaschinken / Leicht geräucherte Wachtelbrust / Sauerkrautrelish / Dattelsoße

Der zweite Gang nach diesem gelungenen ersten: Nicht steigerungsfähig? Dachte ich auch ... Ich täuschte mich. Mein Highlight dieses Menüs: Die angeräucherte Wachtelbrust an einem herrlichen Sauerkrautrelish. Mit der süßlichen Dattelsoße eine erstaunliche Kombination.
Das Süppchen fiel dagegen in der Kombination ein wenig ab und die geschmackliche Verbindung beider Kernkomponenten erschloß sich mir nicht zu 100%. Für sich gesehen, war aber auch das Zuckerschotensüppchen ein aromaintensives Kunststück.

Südtiroler Schlutzkrapfen (Ravioli) mit Steckrübe gefüllt/ Gebratener Feldsalat / Orangenbutter / Büffelmozzarella

Madame erkor diesen Gang zu ihrem Höhepunkt des Abends. Auch ich fand ihn formidabel. Der Schlutzkrapfen durfte in brauner Butter mit Bröseln vom Südtiroler Schüttelbrot baden ... Alleine für diese Idee gebührt dem Schöpfer ein Sonderlob. Der gebratene Feldsalat mit Walnüssen erschien uns die bestmögliche Wahl als Unterlage des Schlutzkrapfens, dessen Steckrübenfüllung meinem Geschmack nach etwas zu neutral ausfiel. Gut, wer je Steckrüben zubereitet hat, weiß, dass dieses Gemüse an sich eher geeignet ist, Stirnrunzeln statt Jubelstürme hervorzurufen. Um nicht zu sagen: Der Geschmack dieser Feldfrucht, die eine ganze Generation nach dem Krieg traumatisiert zurückließ, erinnert gerne auch mal an hundertmal gekochte Schiesser-Feinripp-Unterhosen. Pastinake oder Rote Beete wäre unser beider Erachtens möglicherweise die bessere Wahl gewesen. Aber: wir jammern in diesem Fall auf hohem Niveau. Auf sehr hohem Niveau!


Zwischengang (Gruß aus der Küche): Mon-Cherie-Sorbet

Dieses Sorbet an sich ist ein Traum. Mit den Butterkeksbröseln und der Physalis dazu ein schöner kleiner Nachtisch. Es war aber gedacht als ein Mund-Erfrischer, ein Neutralisierer. Klassisch wäre hier gewesen: ein schlichtes Kügelchen Zitronensorbet. In dieser Variante war dieser Teller nicht schlüssig in Bezug auf Absicht und Ausführung. Ich würde es künftig auf jeden Fall wieder servieren - aber ohne jeden Schnickschnack - Sorbet pur. Ein derartig - ja: - geiles Sorbet braucht keine Entourage.

Duett von Scampi & Wolfsbarsch / Morchel-Estragonrisotto / Abarte Birnen / Petersilienwurzel / Marzipan

Dies war meine Wahl als Hauptgang: Ein Gericht ohne Höhepunkte, solide und leider mit zu knackig gegarter Petersilienwurzel. Der hätten 2-3 Minütchen mehr Garzeit gut getan. Gerade mit dem Fischmesser war das Wurzelgemüse kaum zu schneiden. Der Risotto war mit sonderbarem Reis zubereitet. Arborio, Vialone oder Carnaroli dürften das möglicherweise nicht gewesen sein. Auch nicht schlotzig genug für einen meisterlich gerührten Risotto und geschmacklich wenig ausdrucksstark. Madame meint, niemandem gelänge ein Risotto besser als mir - jawohl, das sagt sie! - von daher erlaubt sie mir, dass ich an dieser Reisbeilage herumkrittele. Der Fisch war sehr ordentlich gegart. Das Salz, das der einen Tranche fehlte, enthielt im Übermaß die zweite. Scampi? Ja, vorhanden. Aber keiner näheren Beschreibung würdig, da recht belanglos. Marzipan? Sehr, sehr, sehr dezent. Zu dezent.

ODER

Filet vom Duroc Schwein im Kürbiskernmantel / Dreifaltigkeit vom Kürbis (Kürbis-Passionsfruchtcreme / eingelegter Kürbis / Kartoffel- Kürbissouffle)


Hierfür entschied sich Madame im Hauptgang. Die Hokkaido-Schnitze waren - wie meine Petersilienwurzel im Fischgang - zu kurz gegart. Ansonsten war Madame zufrieden, wenngleich nicht von den Socken. Die Qualität und der Garpunkt des Schweins superb, die Kürbiskruste und die Kürbis-Passionsfruchtcreme jeweils schöne, handwerklich vollendet umgesetzte Ideen.

„Sharonfrucht hoch drei“ – Schokoladen Fondant / Sorbet / Espuma / süß sauer eingelegt

Dies mein Dessert - ich war zufrieden, aber in Anbetracht der hier erlebten regelrechten "Dessertfeuerwerke" der Vergangenheit etwas überrascht, wie konservativ, aber handwerklich grundsolide heute hier gearbeitet wurde. Ein extra hervorzuhebendes Highlight auf diesem Teller: keines.

Käseauswahl 

Madames Dessert-Sonderwunsch, abseits des Menüs, wurde anstandslos erfüllt. Feine, gut abgestimmte Auswahl und zwei ausgezeichnte Fruchtsenf-Varianten (Feige und Cassis, meinen wir). Die Walnüsse waren frisch geknackt, wahrscheinlich heimischer Herkunft und bestachen durch die typischen herben grünen Noten von Walnüssen, die nicht überlagert sind. Ein schönes kleines Detail, das für Liebe zum Detail spricht.

Zum Abschluß jeweils ausgezeichneten Kaffee/Espresso, dazu als Begleitung aufs Haus noch je ein Häppchen wunderbar saftigen Schokokuchens.

Wie? - Nichts zum Mäkeln?

Naja, Ihr wisst schon: Irgendwas ist immer - Kleinigkeiten, die auch flugs behoben wurden: Der an diesem Abend über 95% der Zeit sehr professionelle Service - ein Sonderlob der jungen Dame, die sich primär um uns kümmerte - verbummelte zunächst Madames Wunsch einer Käseauswahl, statt eines süßen Desserts. Der Käse stand aber nach höchstens drei Minuten auf dem Tisch. Unsere Bedienung nahm den Fehler von sich aus auf ihre Kappe und entschuldigte sich. Kein Problem für uns beide, wenn damit so umgegangen wird.

Das zweite Detail betraf den Ausfall der Netzverbindung beim bargeldlosen Bezahlen. Ich hatte vorab angefragt, ob Bezahlen mit EC-Karte möglich sei und mich entsprechend darauf eingestellt. Die Kiste streikte aber und wollte sich auch nicht wieder booten lassen. Gut, dass ich ausreichend Bargeld dabei hatte ... Andernfalls keine dem Gast angenehme Situation, dem Wirt temporär Geld schuldig bleiben zu müssen. Wenn Technik, dann muss sie zuverlässig funktionieren. 

Wem ist das anzukreiden? Ich buche es unter "mangelhafter Kundendienst" und damit zulasten der "Abteilung Service".

Ansonsten: Eine blitzsaubere Performance des kompletten Schwögler-Teams an diesem Abend. Beide Daumen - Madames und meiner - hoch.

Wir bezahlten für ein in jeder Hinsicht schönes kulinarisches Erlebnis 143,80 EUR plus Trinkgeld. Das muss die Konkurrenz in der Region erst einmal in dieser Form nachmachen.

Für mich ist der Landgasthof Schwögler an diesem Abend der unangefochtene Preis-Leistungs-König unter den hiesigen ambitionierten Lokalen.


Zeitsprung ...  Drei Wochen nach dem beschriebenen Besuch bei Schwögler entscheidet sich Madame, einen wichtigen Geschäftskontakt zu einem Geschäftsessen abends nach Bad Abbach zu entführen. Dort, davon ging sie aus, werde sie sich nach unserem jüngsten gemeinsamen Aufenthalt als Gastgeberin vor ihren Geschäftspartnern keinesfalls blamieren ... Ich selbst war nicht zugegen, verlasse mich aber auf Madame's unbestechliches Urteil und ihre präzise Beobachtungsgabe.

Langer Vorrede kurzer Sinn: Die Pluspunkte, die das Restaurant Schwögler drei Wochen zuvor sammeln konnte, wurden am zweiten Abend leider partiell wieder aufgezehrt.

Was gab es an jenem zweiten Abend konkret zu monieren?
  •  Keine Speisekarte in englischer Sprache verfügbar. Von einem Lokal mit Sterneambition darf, nein: muss man das erwarten. Wird man eine Lady-Karte (ohne Preise) noch als dekorativen, möglicherweise anachronistischen Luxus einordnen, ist eine englischsprachige Karte gerade für Geschäftsessen jenseits der Baywa- und Gebrauchtwagenhändlerkultur unabdingbar. Englischkenntnisse des Servicepersonals: Mittelmäßig. Die Verantwortung wurde in hektischer Betriebsamkeit deligiert, bis sich eine junge Dame im Serviceteam fand, die in der Lage war, in angemessener Güte in fremden Zungen zu kommunizieren.
  • Die Tischrunde bestellt  à la carte - kein Menü. Madame wünscht sich als Vorspeise ein Ravioli-Gericht - geschickt werden aber Tagliatelle. Bis Madame den Mund aufbringt und reklamieren kann, ist die Bedienung schon über alle Berge.
    Allgemeines Stirnrunzeln an Madame's Tisch: Hattest du nicht Ravioli bestellt? Ja - hatte sie. Madame läßt es gut sein, und verzehrt das nicht bestellte Pasta-Gericht, statt der Ravioli, auf die sie sich gefreut hatte. Die geschäftlichen Gespräche bedürfen jetzt ihrer Aufmerksamkeit, nicht die Unpässlichkeiten des Service und die Inkaufnahme zusätzlicher Wartezeit. Als die Dame die leeren Teller abholt, wird sie den Service allerdings nochmals auf diesen Lapsus hinweisen. Oh's und verblüfftes Stirnrunzeln. Zu spät ...
  • Eine Weinempfehlung erbat die kleine Tischrunde - jeweils passend zum jeweilig gewählten Gericht: Weißwein oder Rotwein?, fragt der Service - alleine diese Frage ist eine Blamage, drückt sie doch aus, dass man dem Gast nicht zutraut sich in der Welt des Weins zuhause zu fühlen. Sehr provinziell! Tut mir leid, das kann man nicht anders sehen.
    Trockener Weißwein
    wird als grober Richtungswunsch für eine weitere Verfeinerung der Empfehlung vom Gast geäußert - doch schon will die Dame abtraben. Madame hält sie zurück, will das Thema detaillierter gewürdigt wissen, was diesen "trockenen Weißwein" angeht, den sie da zu kredenzen gedenkt. So geht das nicht, so geht das vielleicht in einem stinknormalen Wirtshaus, aber nicht in einem ambitionierten Restaurant. Madame fragt nach, was sie denn nun vorhabe zu servieren? Antwort: Riesling. OK. Ob man zum Hauptgang anschließend vielleicht einen anderen, vielleicht einen Rotwein wünsche, diese Frage zu stellen, scheint dem Service überflüssig. Madame fragt nach: Passt dieser Riesling denn auch zu den Hauptgerichten? Antwort: Ja. Schlicht und einfach: Ja.
    Für mich wäre diese unterirdische, lieb- und lustlose Weinberatung ein Grund gewesen aufzustehen und zu gehen. Aber ich bin ich und Madame ist Madame: Frauen sind da offenbar dultsamer ...
  • Was die Speisen betrifft, wurde auch an diesem Abend der Risotto moniert: Zu kurz gekocht, zu wenig gerührt, zu viel Biss, die Textur des verwendeten Reis gewöhnungsbedürftig, was auch am zu geringen "Schlotzigkeitsgrad" gelegen haben mag. Auch wenn ich an diesem zweiten Abend nur vom Hörensagen berichten kann: Ich verstehe die Kritik am Risotto - ich hatte drei Wochen zuvor ebendiesen Eindruck, der mir kredenzten Portion im Rahmen meines Menüs. Ansonsten: Die Küche zeigte auch an diesem Abend, dass sie zu konstant guter Leistung in der Lage ist.
Madame kam einigermaßen bedröppelt nach Hause. Den Verlauf dieses Abends hatte sie sich als Gastgeberin eines wichtigen Geschäftsessens gravierend anders vorgestellt. Ich kann ihre  Enttäuschung und ihren Unmut nachvollziehen. Das könnte wohl jeder, der weiß, wie wichtig solche Termine sein können ...


Summa summarum wirft das unangenehme Fragen auf:

Verhindert die inkonstante Leistung des Service einen Stern?  
Was nützt es, wenn die Küche konstant auf Sterneniveau performed, wenn der Service derart wechselhafte Leistung an den Tag legt?

Da die Tester des Guide Michelin meines Wissens mindestens drei Urteile unterschiedlicher Tester einholen, bevor sie ein Lokal dekorieren, halte ich es für nicht ausgeschlossen, dass die diesbezüglichen Erfahrungen ein diffuses Bild in den Urteilen der Tester ergeben haben könnten.

Wie fällt nun unser Gesamturteil aus? Schwierig bei zwei so unterschiedlichen Erfahrungen? Nach meinem Dafürhalten - was die Küchenleistung angeht - ist das Restaurant Schwögler die unangefochtene Nummer 2 der Regensburger Region. Mit deutlichem Abstand vor den nächstbesten Alternativen.

Wünschenswert wäre allerdings eine bessere Schulung des Servicepersonals in Fragen des Weins, da man auf einen hauptamtlichen Sommelier zu verzichten können meint, was meines Erachtens ein gefährlicher Irrglaube ist.

Ebenso anzuraten: eine klare Kompetenz- und Zuständigkeitszuordnung und: solide Englischkenntnisse des Servicepersonals, wenn man auf Business-Publikum der großen Regensburger Firmen als Klientel abzielen möchte. Für das Weißbierkränzchen der örtlichen Sparkassenvorstandschaft mag das entbehrlich sein - für Führungskräftekreise der internationalen Automotiveindustrie weniger.

Ja: die Globalisierung macht auch vor einem Nest wie Bad Abbach nicht halt: Die Geschäftsbeziehungen sind heute international und Englisch die Sprache der Wirtschaft. Ein Lokal mit Anspruch braucht dringend eine englische Übersetzung der Speisekarte und Personal, das unfallfrei auf Englisch parlieren kann. Nicht einen/eine, der/die es sich zutraut - alle Servicemitarbeiter sollten es können, denn wer in der ersten Liga spielen möchte, muss sich vom Spielniveau der zweiten und dritten Liga in dieser Hinsicht glasklar lösen. Provinzialität kommt auch bei den "Herrn der Sterne" des Guide Michelin schlecht an. Lokalkolorit ja - Provinzmief: nein.

Mensch, ist das schade! Die Küche hat's doch echt drauf, aber der divenhaft performende Service vermasselt den Jungs und Mädels an den Töpfen und Pfannen dann die Tour ... So sehe ich das. Ein jeder darf das anders sehen.

Schwögler bietet seinen Gästen durchaus, das, was der Guide Michelin als sternewürdig einstuft:

"Eine sehr gute Küche, welche die Beachtung des Lesers verdient". Die bereits mehrfach an Schwögler verliehene Auszeichung „Bib Gourmand“ steht für "sorgfältig zubereitete und preiswerte Mahlzeiten." 

Bei aller Liebe - Schwöglers Küchenleistung nicht als "sehr gute Küche", die die "Beachtung des Lesers verdient" einzuschätzen, grenzt in meinen Augen an eine Frechheit ... Wenn nun auch noch die Qualität des Service - vor allem aber dessen Konstanz in der Leistung! - mithalten würde ...

... dann bliebe ich dabei:

Der erste Stern für das Restaurant Schwögler wäre verdient und folgerichtig!

1 Kommentar:

  1. Schönen Sonntag Herr Bock !
    Ich habe gerade beim Schwögler zu MIttag gegessen und wurde durch dieses Mahl angeregt, auch einen Kommentar zu verfassen.

    Mein Resümee an den Anfang gestellt:
    Ich möchte gar nicht, dass hier ein Stern vergeben wird, da sonst dieses lukullische Erlebnis in die falsche Richtung gelobt wird.
    „Da Schwögler“ hat es geschafft, ein Restaurant zu schaffen, in dem soviel eigentlich nicht Zusammenpassendes zu einer fast perfekten Symbiose geführt wird:
    Ein bayerisches Wirtshaus mit dem absolutem Mehr an Genuss und Komfort, bei dem aber die bayerische Gastfreundlichkeit (und Mentalität) nicht vergessen wurde.
    Da verzichte ich gerne auf die Vollkommenheit und genieße die kleinen Unzulänglichkeiten.
    Dieses Preis-/Leistungsverhältnis ist doch fast schon „ein Geschenk“, v.a. Sonntag Mittag für Familien.
    Ich sehe den Schwögler in einer Gruppe z.B. mit dem Hummel oder dem Maier in Hilzhofen (bei dem seit einiger Zeit mit Abstrichen), aber nicht mit dem 1-Sterne-Storstad, da soll er auch gar nicht hin, da würde er seine „schwöglerische Einzigartigkeit“ verlieren.

    Hans-Peter Weinzierl

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